Egal, ob Top-Management oder Berufsanfänger, jedem, der zum ersten Mal mit dem Thema Zertifizierung konfrontiert wird, stehen große Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Was gibt es für Zertifizierungen? Warum wird zertifiziert? Was versteht man unter ISO Norm? Sind ISO Normen weltweit gültig?
Viele Fachbegriffe sowie trockene und schwer verständliche Norm-Texte behindern eine zügige Einarbeitung der Projektverantwortlichen. Zum besseren Verständnis werden dann meist praxisferne und teure Schulungen besucht. Die in den Schulungen als „Tipps und Tricks“ beworbenen Inhalte, sind für einen „Zertifizierungs-Anfänger“ jedoch immer noch zu komplex formuliert. Als nächsten Schritt werden häufig „einfach anwendbare“ Vorlagen für die normgerechte Dokumentation – mal mit, mal ohne Beratungsleistung – eingekauft. Im Praxistest zeichnen sich die Vorlagen als zu allgemein formuliert und zu umfangreich aufgebaut ab, sodass das Projektteam bei der Bearbeitung der Vorlagen in Details untergeht.
Mit dieser Beitragsreihe möchten wir mit vielen Beispielen den Zertifizierungs-Dschungel verständlicher machen.
Teil 1 – Grundlagen der Zertifizierung nach ISO-Norm
Teil 2 – Der Selbst-Check Zertifizierung
Teil 3 – Eine Norm verstehen: Praxisbeispiel DIN EN ISO 9001
Teil 4 – Zertifizierungsreif in 5 Tagen
Sie möchten sich zertifizieren lassen und benötigen Support? Wir haben all diese Learnings zum Anlass genommen unseren eigenen, unkomplizierten und praxisnahen Weg zur Zertifizierung zu entwickeln. Gerne stellen wir Ihnen diesen in unserer kostenlosen Erst-Beratung vor und freuen uns direkt ein paar Ihrer Fragen beantworten zu dürfen.
Teil 1- Grundlagen der Zertifizierung nach ISO-Norm
In Teil 1 möchten wir ein grundlegendes Verständnis für die Zertifizierung nach ISO-Norm schaffen. Hierfür werden nachfolgend die wichtigsten Begriffe definiert sowie auf die Wahl der Zertifizierungsstelle, Ablauf einer Zertifizierung, auf den Aufwand und den Mehrwert einer Zertifizierung eingegangen.
ISO, DIN, EN
Unter der ISO (International Organization for Standardization) ist eine Art internationaler Verein zu verstehen, dessen Aufgabe es ist, international gültige Standards/Regelwerke, die sogenannten Normen, zu definieren und zu veröffentlichen. Jedes Mitgliedsland stellt dabei einen nationalen Verein als Mitglied. Das deutsche Mitglied ist die DIN (Deutsches Institut für Normung e.V.). Die DIN ist ein deutscher Verein, deren Mitglieder Experten unterschiedlicher Fachbereiche sind. Diese Mitglieder machen Vorschläge für mögliche Standardisierungen, die dann die DIN bei der ISO einreicht. Aus dem Namen einer Norm lässt sich der Geltungsbereich und die letzte Revision ableiten. Die DIN EN ISO 9001:2015 wurde letztmalig 2015 grundlegend überarbeitet und ist in Deutschland (DIN), in Europa (EN) und international (ISO, in allen Mitgliedsländern der ISO) gültig. Mit jeder Revision gibt es eine Übergangsfrist bis wann die Änderungen einzuarbeiten sind und eine Rezertifizierung erfolgen muss, um die Zertifizierung aufrecht zu erhalten.
(Re-)Zertifizierung
Zertifizierung bedeutet die erstmalige Bescheinigung, dass die Kriterien einer Norm erfüllt werden und dies auch nachgewiesen werden konnten. Es ist also nicht ausreichend „auf dem Papier“ alle Kriterien zu erfüllen, sondern diese müssen auch „gelebt“ werden. Rezertifizierung entspricht der Wiederholung der Zertifizierung. Wurde beispielsweise ein Unternehmen erstmalig nach ISO 9001 zertifiziert (Erst-Zertifizierung), so sieht die Norm vor, jedes Jahr eine interne Rezertifizierung und alle drei Jahre eine externe Rezertifizierung zu durchlaufen. Die interne Rezertifizierung wird von unternehmensinternen, thematisch unabhängigen Experten durchgeführt. In der Praxis wird die Unabhängigkeit meist dadurch gewährleistet, dass ein Qualitätsmanager zusammen mit einem Kollegen aus einer anderen Abteilung rezertifiziert, wobei der Kollege die Rezertifizierung der QM-Bereiche übernimmt. Die externe Rezertifizierung ist von einem externen Partner durchzuführen, der auch das Zertifikat ausstellt. Entgegen der meistkommunizierten Annahme muss der externe Partner keine akkreditierte Stelle (z.B. TÜV, DEKRA, etc.) sein. Der Begriff Zertifizierung ist nicht geschützt, sodass prinzipiell jede Person oder Organisation eine Zertifizierung durchführen und bescheinigen darf, sofern dies in der Norm nicht ausgeschlossen oder einem bestimmten Berufsstand vorbehalten ist. Bei der Wahl der Zertifizierungsstelle (=externer Partner) sollte daher beachtet werden, welche Aussagekraft das Zertifikat haben soll. Sofern das Zertifikat ein Synonym für ein hohes Gütesiegel sein soll, wird empfohlen einen Wirtschaftsprüfer als Zertifizierungsstelle zu beauftragen, da das Siegel des Wirtschaftsprüfers als eines der höchsten Prüfsiegel in Deutschland einzustufen ist.[1]
Audit
Eine (Re-)Zertifzierung erfolgt immer im Rahmen eines Audits. Das Wort Audit kommt vom lateinischen Wort audire - hören. Mit dieser Wortbezeichnung ist auch die wesentliche Aufgabe des Auditdurchführenden, dem sogenannten Auditor, beschrieben: zuhören. Am Beispiel der ISO 9001 bedeutet dies, dass der Auditor allen Abteilungen, die in den Geltungsbereich der ISO 9001 zählen, „zuhören“ muss, wie sie ihre Prozesse im Arbeitsalltag durchführen und wie sie bestimmte Tätigkeiten dokumentieren. Der Auditor gleicht das „Gehörte“ mit der Norm ab und stellt ggf. Beanstandungen fest. Diese Beanstandungen werden dann entsprechend ihres Ausmaßes vom Auditor in Kategorien eingeteilt. Aus den Kategorien ergeben sich Fristen zur Behebung der Beanstandungen, bei deren Überschreitung die Zertifizierung abgelehnt wird. Als Hilfestellung erstellt der Auditor einen Auditplan und ein Auditprogramm, sodass er keinen Prüfungspunkt versehentlich vergisst und dass er nachweisen kann, was er wann wie geprüft hat.
Aufwand und Mehrwert einer Zertifizierung
Unserer Erfahrung nach stellt der Zertifizierungsprozess selbst sowohl den größten Aufwand als auch den größten Mehrwert einer Zertifizierung nach ISO-Norm dar. Die Norm ist der Auslöser, um Standards in den Unternehmensprozessen zu schaffen, nach denen zu arbeiten ist. Durch die Rezertifizierungen wird kontinuierlich geprüft, ob die Einhaltung der (neuen) Standards gegeben ist und durch die Beanstandungen werden Prozessverbesserungen angestoßen. Diese führen zu Reduktion von Mehrarbeit mit mittelfristiger Ressourceneinsparungen sowie erhöhten Durchlaufzeiten und Kostenreduktion. Durch die Standardisierung lassen sich auch weitere Projekte wie die Einführung eines ERP-Systems oder die Zertifizierungen nach weiteren Normen deutlich beschleunigen.
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